"Unter Rollenspielern (Katrin & Björn 2)" von Markus

"Unter Rollenspielern (Katrin & Björn 2)" von Markus

Der Einstieg

Sie saßen nun schon fast eine Stunde am Tisch, jeder gebeugt über ein Blatt mit Tabellen und Zahlen. Torben als Spielleiter hatte ihnen zu Beginn lang und umständlich die Spielregeln erklärt. Jeder von ihnen musste sich seine Spielfigur ausdenken. Einen kurzen Überblick der Welt und ihrer Völker gab ihnen Torben, ergänzt von Silke, seiner Freundin. Die beiden spielten schon seit längerem Pen & Paper-Rollenspiele, besaßen mehrere Ordner und Kartons voll von Abenteuern, erfundene Landkarten und bunte Würfeln mit weit mehr als 6 Seiten.
Katrins Wahl war eine geheimnisvolle Dunkelelfen-Amazone gewesen, Björn versuchte sein Glück als grimmiger Barbaren-Krieger mit einem fast mannslangen Zweihänder. Ihre Gruppe wurde von Silke in der Rolle einer Menschen-Magierin angeführt, Torben als Spielleiter war an diesem Abend die Erzählerrolle zugefallen.
Katrin und Björn als Neulinge mussten ihren Charakteren erst diverse Eigenschafts-Werte zuweisen die sie mit Hilfe eines zwanzigseitigen Würfels erstellten. Seine Freundin hatte sich mehrere Minuten über Björns erwürfelte Zwei amüsiert, die er in das Feld Charisma eintrug. Sie hatten sich alle zur Einstimmung vorher eine größere Menge "Selbstgezogenes" in Silkes Wasserpfeife geraucht, daher war die Stimmung entsprechend gelöst.
"Charisma", so hatte Torben erklärt "zeigt, wie euch die anderen Figuren im Spiel sehen. Ein Händler wird euch bessere Konditionen anbieten je höher der Wert ist, ein unentschlossener Informant wird euch eher geneigt sein und ein Gegner sich vielleicht schneller einschüchtern lassen."
Pah, Charisma ist etwas für Anfänger dachte sich Björn. Sein Barbar besaß einen Stärkewert von zwanzig, das Start-Maximum. Damit sollte er jeden Gegner platt walzen. Er war kein Diplomat sondern ein Krieger, ein in Leder und Eisen gehüllter riesiger Kerl dessen lange Haare offen im Wind wehten und der Met fässerweise soff, danach noch jede Schlägerei zu seinen Gunsten entschied.
Katrins Amazone dagegen war mit einem Blasrohr bewaffnet, trug leichte Lederrüstung über ihrer fast schwarzen Haut und konnte sich nahezu lautlos bewegen.
Silkes Magierin musste nicht erst erwürfelt werden. Silke pflegte sie schon länger, war mit ihr seit einigen Abenteuern unterwegs. Inzwischen Stufe fünf erreicht hatte sie die meisten ihrer Charakterwerte erheblich verbessern dürfen und zahlreiche neue Zauber erlernt.
"Ihr steht auf dem Dorfplatz von Daroumen" intonierte der Spielleiter "und eure staubige Kleidung lässt jedermann erkennen dass ihr weit gereist seid. Die Leute ringsum tuscheln, zeigen dabei mit schmutzigen Fingern auf euch und ziehen sich in Hauseingänge zurück. Es sind kleine, schäbige Hütten aus Holz und Lehm erbaut. Ihr strebt das größte der Gebäude an. Ein Holzschild mit einem blutigen Krug darauf über dem zweiflügeligen Eingang weißt es als Schänke aus."
Katrin prustete los "Aber Björn darf doch mit Stufe Eins noch gar keinen Alkohol trinken! Hoffentlich hat der Wirt Apfelsaft für ihr!". Björn funkelte sie an "Wartet ab, holde Elfe, ich werde deine spitzen Ohren noch früh genug aus den Fängen eines gierigen Monsters retten müssen. Dann wird dir der Spott noch vergehen!"
Silke verdrehte nur die Augen. Als alter Hase konnte sie über solche Dinge kaum noch lächeln. Es dauerte immer etwas bis die Atmosphäre stimmte und alle mitspielten, dann allerdings war es für alle ein Erlebnis... jedenfalls meistens.
"Ihr sitzt in dem schummrigen Raum an einem alten, schartigen Eichentisch. Der Boden ist mit stinkigem Sägemehl bedeckt das vom verschütteten Bier der letzten Tage noch feucht ist. Der Wirt hat euch die Bestellung gebracht. Ihr dankt ihm und wollt gerade nach den Krügen greifen als die die Eingangstüre mit einem Knall aufgestoßen wird und grelles Licht die dunklen Scherenschnitte von einigen Gestalten erkennen lässt.
Drei stattliche Männer in Amtstracht treten herein, sehen sich kurz im Raum um bevor sie euren Tisch ansteuern." Torben räusperte sich kurz, blickte zu Silke, die ihn aufmunternd zunickte. Diese Spieleröffnung hatten sie in einer leicht abgewandelten Form schon mehrfach verwandt, für Anfänger war es vertretbar. Sollten sie noch öfters in dieser Kombination spielen musste er sich andere Einleitungen einfallen lassen. "Die drei Herren stellen sich als die Führer dieser Gemeinschaft hier, dem Verbund der umliegenden Dörfer vor. Dem Jüngsten, Rezam mit Namen, ist die Tochter entführt worden, wie er euch berichtet. Seine drei älteren Söhne sind schon vor Tagen aufgebrochen sie zu suchen, bisher aber noch nicht zurückgekehrt. Seine Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Immer wieder, so erklärt der mittlere der Dreien, dessen letzte verbliebene Haare zu lustigen Strähnen seitlich des Kopfes abstanden, verschwinden junge Frauen in dieser Umgebung. Schuld daran sind die Okkultisten, welche sich im Wald in der alten Ruine niedergelassen haben. Schon vor Jahren war dieser Ort verflucht, niemand hier würde ihn je freiwillig betreten, aber diese düstere Sekte hat sich dort ein Heim errichtet.
Sie beten einen dunklen Gott an, meint der dritte. Schlussendlich bieten die Dorfführer jedem von euch zwei Golddublonen, wenn ihr die Okkultisten vertreibt. Der Dicke sogar noch einmal für alle zusammen zehn Gold wenn ihr seine Söhne und die Tochter befreit."
Katrin blickte auf und sah Björn an. Ihre Augen waren ein wenig gerötet, vermutlich vom Cannabis. Seine eigenen Augen sahen bestimmt nicht besser aus. Das Zeug war verdammt gut, er musste Silke unbedingt ein paar Samen abschwatzen. Er hatte gerade die Atmosphäre fast körperlich spüren können, den Qualm im Schankraum, den Bierdunst, das Knarren der Lederharnische, einfach alles. Vielleicht konnten sie öfters mit den anderen beiden zusammen dieses Spiel weiterführen. Immerhin hatte Katrin bisher noch nicht darüber gespottet oder es als Kinderkram abgetan, das war vielversprechend. Er nippte an seinem Wodka-Lemon.

Mptaru

"Die Dorfältesten haben euch einen Führer zur Seite gestellt. Einen schwarzhäutigen Südmann, nur mit Lendenschurz bekleidet und als Schmuck einem goldenen Ring durch die Nase. Mptaru heißt er, sagt der Dicke, und er gehört zu seinem Haus." Katrin zog scharf die Luft ein. Björn wusste was nun folgte. Sie war gegen jede Art von Diskriminierung, Rassismus, Sklavenhaltung und Unterdrückung. Seit ein paar Monaten las sie Bücher über hinduistische Lehrsätze und sie war der Überzeugung dass sie nun auf dem Weg zur Erleuchtung jedes Unrecht bekämpfen musste.
"Ok, Mptaru ist ein entflohener Sklave der sich nun als Gärtner des dicken Dorfführers sein Lebensunterhalt verdient." kam von Torben entnervt nachdem er zwei Minuten lang Katrins Triaden gegen die Unterdrückung durch hellhäutige Menschen und den "eingebrannten Gedanken über die eigene Herrenrasse, die sich genau bei solchen Aussagen zeigt!" gefolgt war. "Der NICHT-Sklave führt euch dank seiner Fährtensuchererfahrung" er blickte Katrin an ob diese bissige Formulierung eher ihre Zustimmung fand "durch das Dorf in einen nahegelegenen Wald. Plötzlich springt ein wildes Rudel Wölfe knurrend und geifernd aus dem Unterholz, umkreist euch. Was macht ihr?" Silke sprach bedächtig, erfahren. Sie wusste was nun folgte und was der Spielleiter von ihnen erwartete: "Ich zücke meinen Zauberstab und halte ihn abwehrend vor mich, murmele den Feind-verspüre-Angst-Zauber und hole langsam etwas Zauberpulver aus meinen Gürtelbeutel." Torben würfelte mit dem dicken Würfel: "Die Wölfe zeigen sich unbeeindruckt von deinem Zauber. Sie ziehen den Ring enger um euch. Mptaru ist keine große Hilfe, er liegt vor Angst schlotternd auf dem Erdboden und presst das Gesicht in seine Hände." Björn verspürte seinen ersten großen Auftritt gekommen und holt Luft: "Ich stoße einen lauten Kriegsschrei aus" sagte er, "dann ziehe ich meinen Zweihänder, rufe den beiden Frauen zu sie sollen sich ducken und schwinge das Schwert im Kreis um mich herum." Torben begann zu würfeln: "Silkes Magierin schafft es deiner irrsinnigen Attacke auszuweichen. Sie lässt allerdings ihren Zauberstaub auf dem Boden rieseln. Katrin schafft es dank ihrer Geschicklichkeit ebenfalls knapp, verliert aber permanent einen Charisma Punkt, da du ihr die Spitze des rechten Ohres absäbelst." Torben lächelte triumphierend. Vermutlich seine Rache für die Vorhaltung über den erfundenen Haussklaven. Er würfelte weiter: "Du hast die Stärkeprobe bestanden, dem Leitwolf vor dir glatt den Kopf abgeschlagen. Die anderen Wölfe sind von deinem Geschrei verunsichert und ziehen sich zurück, allerdings fast alle mit blutigen Flanken von deinem Schwertstreich." Björn lächelte selbstgefällig. "Allerdings ist die zweite Geschicklichkeitsprobe misslungen und du fällst am Ende wie ein Kreisel ohne Schwung zu Boden da du über deine eigenen Füße stolperst. Die Wölfe springen mit langen Sätzen ins Unterholz und sind augenblicklich verschwunden. Nur ein paar raschelnde Zweige lassen noch auf ihre Existenz schließen, und der riesige Kadaver ihres geköpften Leitrüden bleibt zurück. Mptaru springt auf und strahlt dich an. Er hält dich nun für seinen großen Retter. Er hilft erst Silke, dann Katrin wieder auf die Beine. Fichtennadeln kleben überall an euren Kleidern. Nach dem ihr den Schrecken überwunden habt führt euch der Südmann vorsichtig weiter durch den Wald." "Moooooment!" rief Björn: "Das ist mein erster Gegner. Ich schneide mir eine Pfote als Trophäe ab und binde sie mir an den Gürtel!" Silke sah ihn etwas angeekelt an, aber Thorben nahm den Faden wieder auf:" Ihr wandert einige Minuten weiter durch den Wald bis sich die Bäume lichten. Der Pfad führt einen Hang hinauf, zwischen riesige Findlinge." Er würfelte wieder und schaute enttäuscht drein:" Katrin, deine scharfen Sinne haben die Harpie oben am Grat entdeckt bevor diese euch erspähen kann, was macht ihr nun?" Diesmal war Katrin die erste die antwortete:" Ich gehe in Deckung, gebe den anderen beiden Handzeichen es mir gleich zu tun. Dann ziehe ich mein Blasrohr aus der Tasche und lege einen Giftpfeil ein. Ich ziele auf die Harpyie und puste ins Rohr." Silke schaltete sich ein: "Ich webe ein Treffsicherheits-Zauber um Katrin“. Zwei Würfelproben von Torben weiter lag die Harpyie auf dem Felsgrat und die Geschichte nimmt wieder Fahrt auf.
„ Auf der anderen Seite führt der Pfad wieder in einen dichten Wald. Ihr wandert eine halbe Stunde ohne erneute Zwischenfälle durch den immer dichter und dunkler werdenden Wald. Mptaru hebt plötzlich seine Hand und bedeutet euch anzuhalten. Links und rechts des Weges stehen lange Stöcke in den Boden getrieben auf denen menschliche Schädel aufgespießt sind. Er macht eine Geste mit der Hand vor seinem Mund damit ihr still seid und schleicht langsam um eine Wegbiegung. Nach wenigen Augenblicken kehrt er zu euch zurück. Seine Augen flackern vor Angst als er zu euch spricht: ´Weg dort Ende. Altes Steinhaus, groß. Böses Menschen! ´ Damit springt er auf und rennt den Weg zurück zum Dorf aus dem ihr kamt. Verblüfft blickt ihr euch an.“

Kultisten

Björn hielt es nicht mehr aus, er musste aufs Klo. „Wartet mal nen Moment!“ und schon ist er weg. Als er zurück kehrte hatte Silke die Wasserpfeife erneut entzündet und Canabisdunst zog durch das Wohnzimmer. Björn goss sich einen weiteren Wodka-Lemon ein und bekam noch ein paar Züge von der Pfeife ab. „Dann lasst und mal den Laden aufmischen!“ meinte er, nahm seinen Charakterbogen und blickte Torben erwartungsvoll an.
Katrin -deren Charakter den höchsten Beweglichkeits-Wert aufweisen konnte- ließ ihre Amazone vorsichtig um die Wegbiegung blicken. „Du siehst eine Ansammlung von Ruinen, davor einen alten Friedhof. Im Hintergrund erhebt sich der große, finstere Schatten eines Herrenhauses. Die Fensteröffnungen sind schwarze Löcher. Alles sieht sehr verlassen aus, nirgends regt sich etwas.“
Katrin meldete sich zu Wort:" Ich schleiche vorsichtig näher an das Herrenhaus, schaue vorsichtig in die Ruinen." Da unterbrach sie Björn: "Schleicherei ist etwas für Angsthasen und Diebe. Ich folge ihr mit gezücktem Schwert. Mir kann niemand widerstehen." Silke murmelte das sie einen Schutzzauber um die Gruppe webt, Torben würfelte einige Male, dann eröffnete er ihnen: "Ihr habt das Herrenhaus ohne Vorfälle erreicht, steht nun allerdings vor einer ziemlich stabil aussehenden Holztüre, sie ist mit Eisen beschlagen und fest verschlossen." Björn hätte am liebsten die Türe mit roher Gewalt geöffnet, doch seine beiden Begleiterinnen konnten ihn gerade noch davon anhalten. Katrins Schleicheinlagen lösten das Problem als sie ihren Charakter durch ein Fenster einsteigen ließ um die Türe von innen zu öffnen. Dabei fing sie sich einen Splitter im Fensterrahmen ein, der ihre rechte Hand, die Waffenhand, wie Torben als Spielleiter genüsslich erklärte, übel durchbohrte. Der Typ war echt mal nachtragend, dachte Björn. Ihm setzte das Kiffen langsam ziemlich zu, der Raum drehte sich um ihn und Torbens Worte kamen wie auf Wolken geflogen, sie brachten die passenden Bilder mit.
" Ihr betretet das alte Herrenhaus. Es riecht nach Verfall, nach Moder und Staub. Außerdem noch nach etwas anderem, älterem. Es ist ein ein scharfer Geruch der sich wie eine klebrige Schicht über alles gelegt hat."

Die Couch unter Björn stoppte ihre Kreiselbewegung, er hatte das Gefühl zu fallen und dann schlug er hart auf dem Steinboden auf, einen schlechten Geschmack im Mund. Katrin lachte kopfschüttelnd und deutete auf die Türschwelle zu seinen Füßen.
Dann pirschte die Amazone Katrin sich vor der Gruppe durch die Eingangshalle. Es zweigen seitlich mehrere Durchgänge vom Vestibül ab, am Ende der Halle führen Treppen hoch auf die Galerie. Noch immer ist kein Lebenszeichen zu erkennen, allerdings ist hier die Staubschicht am Boden von zahllosen Füßen verwischt worden. Die Gruppe wandert weiter durch das Gebäude, die Waffen gezückt. Sie kämpfen mit der Übelkeit, denn der scharfe Geruch wird immer stärker. Doch sie schleichen weiter durch verlassene Flure, vorbei an leeren Sälen. An den Wänden hingen einstmals vermutlich edle Gemälde und Teppiche, heute sind es unförmige, verschimmelte Klumpen. Unrat sammelt sich in den Ecken und Björn glaubt einige Kadaver von Ratten dazwischen zu erspähen. Teilweise stehen noch die Überreste von Schränken und Kommoden herum, nun eher Sägespäne und Holzwurmgräber.
Schließlich erreichen sie durch lange Gänge eine zweiflügelige Türe, übersäht mit seltsamen Ornamenten. Schwarz verschlungene Symbole scheinen die Blicke der Betrachter aufzusaugen, sich dabei selber langsam zu drehen. Die Drei taumeln und müssen sich an der Wand abstützen um nicht zu fallen. Silke wedelt mit der Hand um den Zauber zu brechen, murmelt einen Fluchbrecher in Richtung der schwarzen Ornamente. Als sich ihr Blick wieder klärt sehen sie flackerndes Licht unter der Türe hervor scheinen. Björn murmelt einen unterdrückten Fluch, Katrin legt einen Giftpfeil in ihr Blasrohr. Sie hören leisen, murmelnden Gesang durch das dicke Holz dringen. Dann prallt Björn aus vollem Lauf mit seiner riesigen Barbarenschulter gegen die Türe und sprengt sie aus dem Rahmen. Entsetzte Augenpaare starren ihnen aus einer weitläufigen Halle entgegen. Viele Augenpaare, sehr viele.
Vielleicht zwei Dutzend Gestalten in dunkle Roben gehüllt haben sich im Halbkreis an der gegenüberliegenden Wand versammelt. Sie stehen vor einem riesigen, schwarzen Altarblock. Ein auffällig großer Mann steht dahinter, in Tierhäute gehüllt, mit Federn und Knochen geschmückt. Das muss der Hohepriester sein. Er unterbricht seinen tiefen, kehligen Gesang und blickt sie aus stechenden Augen an. Er murmelt nur ein einziges unverständliches Wort, doch die Menge reagiert blitzartig. Die Robenträger wenden sich ihnen raschelnd zu, ziehen lange, gebogene Klingen unter den Kutten hervor.

Kampf

Katrin geht hinter einer Säule in Deckung. Silke tritt neben Björn, hebt ihre Hände. Mit der linken wirft sie etwas Zauberstaub in die Luft, bläst diesen leicht an. Eine Schockwelle rast durch die Menge, die Luft scheint zu gefrieren. Einige der Robenträger straucheln. Björn erkennt mit Staunen das ihre Füße am Boden festgefroren sind. Mehrere lassen unter Schmerzenslauten ihre Waffen fallen. Raureif hat die Klingen überzogen.
"Noch einmal" ruft er Silke zu, doch der große Mann in Tierhäuten am Altar hat einen mannslagen Stock gezogen und stampft damit auf den Boden. Die daran befestigten Fetische klappern schaurig. Der Priester stößt den Stab wieder auf den Boden, ruft laut etwas in den Saal. Ein kollektives Stöhnen dringt aus den Kehlen seiner Gefolgsleute als das Eis am Boden bricht, doch sie stehen alle wieder auf, heben ihre Waffen vom Boden und stellen sich Schulter an Schulter vor den Hohepriester am Altar. Die Menge intoniert einen kehligen Laut, immer wieder murmelt sie ihn, immer schneller.
Katrin schießt einen Giftpfeil ab. Er trifft sein Ziel und am linken Rand fällt ein Robenträger mit einem gurgelnden Laut zu Boden.
Der Priester am Altar reißt die Hände in die Höhe, beginnt mit schriller Stimme zu rufen während die Menge noch immer ihren seltsamen Laut wiederholt. Über dem Altar bildet sich eine träge Masse. Rauch, denkt Björn, aber wo ist das zugehörige Feuer? Er ist vom Anblick der Menge in den Bann geschlagen.
Wieder fällt am Rand ein Robenträger zu Boden, getroffen von einem Pfeil Katrins. Da berührt Silke Björn an der Schulter. Er spürt wie ihn rote Wut in Wellen durchpulst, wie Kraft von ihrer Berührung ausgeht, ihn erfüllt. "Los!" zischt sie ihm zu, da hebt er schon seinen Zweihänder und stürzt sich mit einem Kampfschrei auf die Menge.
Björn ist im Blutrausch. Er hackt und sticht, er schneidet und hiebt um sich das nicht nur die Roben zerfetzt durch die Luft fliegen. Es dauert nur wenige Augenblicke dann hat er die Gruppe der Robenträger zerschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Blut tropft ihm vom Schwert, aus dem Haar, von der Kleidung. Langsam hebt sich wieder der rote Schleier vor seinen Blick. Björn sieht sich um.
Einzig der Hohepriester steht noch aufrecht vor ihm. Der Rauch über dem Altar hat sich verdichtet, beginnt spiralartig zu kreiseln, eine Art rundes Tor zu bilden. Böse blickt ihn der große Mann an, Triumph in den Augen. Ein leises Wimmern dringt von dem riesigen Altarstein zu ihnen hinab. Björn blickt auf und erstarrt. Aus dem Rauchportal streckt sich ihm eine Klaue entgegen, siebenfingrig mit langen Krallen an den Enden, schwarz wie Kohle, geschuppt.
Der Hohepriester wirft den Kopf in den Nacken und intoniert einen weiteren Sprechgesang. Björn bemerkt dass er seine Füße nicht mehr bewegen kann. Er sieht zu Katrin herüber. Diese schaut den Priester starr mit entrücktem Blick an und bewegt sich mit ungelenken Schritten auf den Mann zu. Auch Silke bewegt sich langsam an seiner anderen Seite an ihm vorbei, mit den gleichen seltsamen Schritten, einem verzückten Gesichtsausdruck den Blick auf den Priester gerichtet. Dieser legt seinen Stab zu Boden und zieht einen schmalen Dolch aus seinem Gürtel. Katrin hat ihn inzwischen erreicht, fällt vor dem Mann auf die Knie. Sekunden später folgt ihr Silke. Die beiden senken demütig den Kopf. Björn kann sich noch immer nicht regen. Der Hohepriester hebt Katrins Arm und fügt ihr einen tiefen Schnitt am Handgelenk zu. Dann holt er einen Glaskelch hervor und fängt das Blut auf, den Blick dabei nach oben zum Portal gewandt, doch ohne seine gemurmelte Litanei zu unterbrechen.
Zu der Klaue hat sich dort ein schwarzgeschuppter Fuß gesellt der langsam aus dem Portal ragt, ein tiefes Grollen begleitet ihn. Der Hohepriester verdreht seine Augen extatisch.
Björn schaudert und muss aufstoßen. Plötzlich ist er frei, nicht mehr im Bann des Priesters. Er nutzt augenblicklich seine Chance, hebt sein Schwert und wirft es zielsicher auf den Priester. Das Schwert durchbohrt dessen Brust, schleudert ihn meterweit durch den Raum auf den Altar zu und zu Boden. Der Mann ist augenblicklich tot.
Katrin und Silke erwachen nun ebenfalls aus dem hypnotischen Griff. Katrin hält schockiert ihr blutendes Handgelenk. Silke reißt sich einen Stoffstreifen aus der Magierrobe und bindet die Verletzung ab. Björn starrt noch immer gebannt über den Altar auf den Nebel.
Das tiefe Grollen hat sich zu einem Röcheln gewandelt, der Fuß und die Klaue haben sich zurückgezogen, der Nebel löst sich langsam auf.
Nachdem sie kurz verschnauft haben rafft sich die Gruppe wieder auf. Sie entdecken auf dem Altar gefesselt ein junges Mädchen, die Tochter des Rezam, die zu retten eines ihrer Ziele war. Die junge Frau ist völlig apathisch und muss von Björn getragen werden. Im Bereich hinter dem Altar entdecken sie noch weitere Kammern mit Stahlkäfigen. Dort werden all die anderen vermissten Personen festgehalten. Zusammen mit diesen verlassen die Drei das Herrenhaus.
Als Björn das Haus verlässt wird er auf einmal von hinten angesprungen. Ein verbliebener Okkultist hat sich auf seinem Rücken festgeklammert und schreit unartikuliert als er versucht Björns Augen mit seinen Fingernägeln zu erreichen. Björn lässt das arme Mädchen fallen und greift nach hinten. Er bekommt einen Haarschopf zu fassen und reißt ihn herum.
Dann muss er erneut aufstoßen… ein Schwall Wodkadunst entwich seiner Speiseröhre und plötzlich stand er breitbeinig schwankend auf der Couch, ein Sofakissen in den Händen, das er versuchte zu erwürgen. Am oberen Rand fehlte ein Stück der Verzierung, dieses fand sich in seinem Mund, genauer gesagt zwischen seinen Zähnen wieder.
Die anderen starrten ihn fassungslos an während er noch einmal knurrt.

„Ich glaube die Beiden laden uns nicht mehr zu einem weiteren Spieleabend ein.“ meinte Katrin später auf dem Heimweg. Zwar waren alle peinlichst bemüht gewesen die Situation zu retten, aber Björn war einfach nur noch speiübel gewesen. Also waren sie recht schnell aufgebrochen. Die frische Luft tat gut. „Ich habe dir das Leben gerettet!“ prahlte Björn, nun schon wieder etwas Farbe im Gesicht. „Der Typ wollte dich doch seinem Gott opfern.“ Katrin verdrehte die Augen. „Du bekommst erst einmal kein Gras mehr zu rauchen. Das war ja bei dir schlimmer als ein Pilz-Trip.“ Björn stieß sie in die Seite „Ach du kannst es nur nicht ertragen das ich gewonnen habe! Du warst fast verblutet.“ Er fuchtelte mit den Händen in der Luft als ob er ein riesiges Schwert schwingen würde. Katrin schwieg dazu, Björn war noch immer nicht ganz in der Realität angekommen. Dafür waren sie bei ihrer WG angelangt und Katrin zog den Schlüssel.
Sie überlegte schon ob sie Björn für die Nacht aus dem Bett verbannen und auf die Couch ausquartieren sollte um keine bösen Überraschungen zu erleben, dachte aber das dies auch ein spannendes Experiment sein könnte. Notfalls müsste er das Bett neu beziehen. Aber ein Eimer wäre bestimmt zur Sicherheit keine schlechte Idee.
Sie hatten noch eine Woche Zeit bis zu ihrer Nepalreise, bis dahin wäre Björn wieder klar. Also zog sie ihm das Shirt üben den Kopf, warf es in eine Ecke und raunte ihm zu „Hey mein großer Krieger, rette mich!“ als sie sich rückwärts in die Kissen fallen ließ.

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